pro familia weist anlässlich des International Safe Abortion Day 2020 auf den Versorgungsnotstand in Deutschland hin.
Die Aufgabe von zivilgesellschaftlichen Organisationen ist es, das politische Augenmerk auf Defizite und Probleme im Land zu richten. Damit ermöglichen sie es der Politik, einzugreifen und sie zu beheben. Beim Versorgungsnotstand beim Schwangerschaftsabbruch scheint sich die Politik allerdings blind und taub zu stellen. Was muss noch passieren, damit Frauen entsprechend international verbriefter Rechte einen sicheren Zugang zum Schwangerschaftsabbruch in Deutschland haben, fragt sich pro familia anlässlich des Safe Abortion Day 2020.
Spätestens seit der Diskussion um den §219a StGB ist deutlich geworden, dass die Zahl der Ärzt*innen und Kliniken, die Schwangerschaftsabbrüche anbieten, drastisch abgenommen hat und weiter abnehmen wird. In manchen Regionen in Deutschland ist der/die nächste Ärzt*in, die nächste Klinik, zwei Fahrtstunden entfernt. Der zeitliche und finanzielle Aufwand bringt Schwangere in diesen Regionen in Not, ganz zu schweigen davon, dass sie meist keine Wahl haben, ob sie einen medikamentösen oder chirurgischen Schwangerschaftsabbruch haben und ob sie ambulant oder stationär versorgt werden. Es gibt zwar einen generellen Auftrag an die Länder, ein ausreichendes Angebot ambulanter und stationärer Einrichtungen sicherzustellen. Berichte von Regionen im Versorgungsnotstand machen jedoch klar: diesem Auftrag wird nicht nachgekommen.
Zum Versorgungsnotstand kommt der Informationsnotstand: Ärzt*innen stehen weiterhin unter Strafandrohung, wenn sie selbst Schwangeren die notwendigen Informationen geben, um zu entscheiden zu können, bei wem sie einen Schwangerschaftsabbruch machen wollen. Auf der offiziellen Liste der Bundesärztekammer ist nur ein Bruchteil der Ärzt*innen, die Schwangerschaftsabbrüche durchführen, zu finden. Für viele Regionen gibt es überhaupt keine Einträge. Unter der Bedingungen der Kriminalisierung von Stigmatisierung von Ärzt*innen kann die Liste nicht funktionieren.
Wir erleben seit einiger Zeit, wie Ärzt*innen in Deutschland angezeigt und diffamiert werden. Beratungsstellen, die dem gesetzlichen Auftrag der Beratung vor einem Schwangerschaftsabbruch nachkommen, werden belagert, so dass die Ratsuchenden sich belästigt fühlen. Die Stimmung in der Gesellschaft wird mit Hasskommentaren, mit Webseiten mit blutigen Bildern und mit Demonstrationen voller anklagender Holzkreuze aufgeheizt. Was setzen die politisch Verantwortlichen dem entgegen? Wie stellen sie sicher, dass die Verantwortung für den Umgang mit dem Versorgungs- und Informationsnotstand nicht auf ungewollt Schwangere abgewälzt wird, die immer höhere Hürden überwinden müssen, um rechtzeitigen Zugang zum Schwangerschaftsabbruch zu erhalten?
Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch erwägen, brauchen eine Politik, die ihnen eine selbstbestimmte Entscheidung ausdrücklich zugesteht und alles dafür tut, dass sie einen möglichen Schwangerschaftsabbruch unter den besten Bedingungen durchlaufen können. Sie brauchen eine Politik, die internationale Frauenrechte anerkennt, umsetzt und Defizite in der Versorgung bekämpft. Sie brauchen ein Ende der Kriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs.
pro familia ist der führende Verband für Sexualität und Partnerschaft in Deutschland. Der Bundesverband wird durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend finanziell gefördert.
pro familia Bundesverband
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